Interview mit dem Karlsruher Künstler Markus Kiefer zur Videoinstallation an der Drais-GMS
Ein Schwimmbad im Foyer des neuen Gebäudes der Drais-Gemeinschaftsschule? Und außerdem – seit wann fließt Wasser senkrecht?
Erst seit kurzem, aber auch nur virtuell.
An einer der Wände um den Innenhof ist eine Videoinstallation des Karlsruher Künstlers Markus Kiefer aus dem Vierordtbad zu bewundern, bei der auch Schülerinnen und Schüler der Drais mitwirkten. Eine breite Holzbank lädt zum Verweilen und Betrachten ein, wie die unterschiedlichen Schwimmer meist gemächlich ihre Bahnen ziehen.
Der Karlsruher Künstler, ursprünglich Dokumentarfilmer, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Den Auftrag zur künstlerischen Mitgestaltung des Innenraumes hat er nach einer öffentlichen Ausschreibung bekommen.
Er verfügt über vielfältige Erfahrung mit lebensgroßen Projektionen, die er heute in seinem lichten Hinterhof-Atelier in der Gerwigstraße erstellt:
Eine seiner beeindruckendsten Installationen entstand aus 1,5 Stunden Filmaufnahmen des Alltagsgeschehens neben einem Fußgängerweg zu einem buddhistischen Tempel in Südkorea. Auch dort stand die wertfreie Beobachtung der Menschen mit vielen kleinen Einzelgeschichten und -begebnissen im Mittelpunkt seines Schaffens.
„Herausgestellt aus der Realität“ nennt er das.
Wichtig für ihn ist die Freiheit für den Betrachter, jederzeit wegzugehen, wiederzukommen zu anderer Zeit und erneut einzusteigen in die Betrachtung.
Im Interview konnte ich ihn nun zu seiner Person und der Entstehung seines Kunstwerkes befragen.
Herr Kiefer, wie lautete denn die genaue Aufgabenstellung für das Projekt?
Es gab keine. Die Kunst sollte mit dem neuen Gebäude harmonieren. Sie sollte mit ihm und seiner Nutzung zu tun haben. Zuerst wollte ich eine große Wandcollage aus Fotos machen, war auch schon relativ weit in der Vorplanung. Aber ich habe zwei Jungs mit sechs und sieben Jahren, und irgendwann dachte ich mir: Informationen kriegen die eigentlich schon genug in der Schule. Da muss nichts Erzieherisches, Didaktisches mehr an die Wand.
Ich wollte einen Ruheraum haben, wo man sich hinsetzen und in Ruhe was anschauen konnte.
Die Bank dort ist also als Teil ihrer Kunst entstanden?
Ja. Sie wurde nach Rücksprache vom Architekten wie die anderen im Schulhof gestaltet, aber eben bewusst dort platziert als Teil der Installation, um sie von dort in Ruhe betrachten zu können. Rumrennen tun die Schüler schon genug.
Wie kam ihnen die Idee zur Umsetzung? Wie muss man sich den Findungsprozess vorstellen? Ein langer Spaziergang? Grübeln am Zeichenbrett?
Die Ideen kommen zu mir, meistens in unerwarteten Situationen. Zu dieser Zeit bin ich mit meinen Jungs viel im Schwimmbad geschwommen, und ich habe diese Ruhe dabei sehr genossen.
Obwohl es eine Sportart ist, ist diese ähnlich wie Fahrradfahren eine sehr gleichförmige, gleitende, entspannte Bewegung. Und es war wie ein Geistesblitz, dass das genau zu diesem Projekt passen würde. Danach war es nur noch ein kleiner Schritt zur Umsetzung über die drei Monitore.
War es eigentlich schwierig, Schüler für die Teilnahme am Projekt zu finden/zu motivieren?
Ich wollte von Beginn an ein Abbild der Gesellschaft erzeugen. Darum sollten neben Schülerinnen und Schülern ebenso erwachsene, alte und behinderte Menschen mit einbezogen werden. Und da mir Frau Willamowski mit der gleichen Idee der Schülerbeteiligung schon entgegen kam, konnte ich dank der Vorarbeit der Schule den Stab dann zur Hälfte mit Schülerinnen und Schülern besetzen.
Wie war die Zusammenarbeit? Verstanden die SuS gleich, worauf es Ihnen ankam?
Ja, das ging sehr reibungslos. Bis auf wenige Ausnahmen hat es mit allen gut geklappt. Vormittags hatte ich externe Leute und am Nachmittag dann die Schülerinnen und Schüler.
Wie war die Resonanz der TeilnehmerInnen?
Die fanden das super. Ist ja auch spannend, wenn man an so ein Filmset kommt, wo alles verkabelt ist, Kameras laufen und der Ruf „Achtung, wir drehen!“erschallt. Das erzeugt schon ein gewisses Lampenfieber.
Wird der Ton noch integriert?
Nein, davon bin ich wegen der „halligen“ Akustik des Schwimmbads wieder abgekommen. Auch für den Platz der Installation ist der meditative Ansatz der bessere.
Sie sind ja vollberuflicher Künstler. Wie kann man denn von der Kunst leben?
Es ist halt nicht sehr planbar und verlässlich. Man hat Phasen, wo man gut verdient, und dann muss man wieder längere Durststrecken überstehen und davon zehren. Ich nenne es eine „Patchwork—Finanzierung. Öffentliche Aufträge und private Initiativen wechseln sich ab.
Zur Zeit habe ich auch eine Vertretungsprofessur an der Kunsthochschule in Trier. Man verdient natürlich nicht so gut wie in der freien Wirtschaft, aber die Befriedigung durch die Arbeit ist enorm.
Wann hat sich bei Ihnen der Berufswunsch „Kunst“ heraus kristallisiert? Welche Rolle spielte ihr eigener Kunstunterricht in der Schule dabei?
An der Schule in Titisee-Neustadt, die ich besuchte, hatten wir einen super Kunstlehrer. Wir hatten einen tollen, sehr großen Kunstleistungskurs, wo man sich enorm gegenseitig befruchtet hat.
Der Wunsch etwas mit Kunst zu machen war also schon sehr früh da. Doch ohne den prägenden Einfluss des Kunstunterrichts wäre mein Leben definitiv anders verlaufen.
Sie haben also ein Kunst-Abitur abgelegt?
Ja. Und das obwohl meine Eltern gar nichts mit Kunst am Hut hatten. Aber sie haben mich unterstützt in meinem Wunsch, obwohl sie den Wunsch hatten, dass ich erst was „Vernünftiges“ mache wie z.B. das Lehramtsstudium. Aber ich habe während des Kunststudiums sehr schnell gemerkt, dass das nichts für mich wäre.
Sie haben Kunst studiert?
Ja, an der Kunst-Akademie in Mainz.
Wie verlief denn ihr Studium der Kunst?
Man muss sich heute nicht mehr jahrelang durch all die klassischen Techniken mühen. Das System fördert eine frühe Spezialisierung.
Ich kam von der Zeichnung her, habe dann aber viele Sachen ausprobiert und mich recht bald für digitale Medien als Kunstform entschieden. Ich habe in viele Kurse reingeschnuppert und bin dann in einer Filmklasse hängen geblieben. Seitdem betrachte ich den Film als meine Hauptausdrucksform als Künstler, obwohl ich jederzeit auch die Freiheit habe, zu anderen Formen zu greifen.
Wie muss man sich als Künstler, vor allem einer der Neuen digitalen Medien, heute weiterbilden?
Vor allem im technischen Bereich muss man sich hier ständig auf dem Laufenden halten. Im Gegensatz zum Beispiel zu Malerei, wo die technischen Grundlagen relativ gleichbleibend sind, ist der technische Fortschritt in meinem Bereich enorm.
„Die Installation lädt dazu ein, das Leben auf die lange Sicht zu betrachten; also eher als Marathon denn als Sprint.“ Würden Sie dem zustimmen?
Ja. Das trifft. Es kommt weder auf Schnelligkeit noch auf Perfektion an. Es war mir egal, wie gut einer schwimmen konnte.
Ihre Erläuterung zu der Installation enthält einige sehr philosophische Anmerkungen zur Interpretation. Könnte man Philosophie und Kunst als ungleiches Geschwisterpaar bezeichnen? Braucht das eine das andere?
Ja, sicher. Wenn ich Philosophie als Sicht auf die Welt betrachte, dann sicher.
Unterrichten Sie heute Nachwuchskünstler? Was ist, wenn jemand anfrägt?
Es kommt darauf an. Während meines Studiums habe ich viel Jugendarbeit gemacht. Heute passt es nicht mehr so sehr zu meiner Arbeitsweise. Ich habe mich da eher eigenbrötlerisch entwickelt.
Ich habe auch keinen geregelten Arbeitsablauf, wo z.B. ein Praktikant reinpassen würde
Was würden Sie unseren kunstinteressierten Schülerinnen und Schülern raten?
Da gibt es leider relativ wenig Organisiertes im Gegensatz zur Musik mit den Musikschulen oder dem Sport. Die Kunsthalle oder das Landesmuseum vielleicht?
Herr Kiefer, vielen Dank für das interessante und nette Gespräch.
Das Interview führte Armin Repple